Engpässe bei Medikamenten für Kinder auch in Hamm
Veröffentlicht: Dienstag, 08.10.2024 05:00
Bald startet die Erkältungssaison in Hamm. Das heißt auch: In den kommenden Wochen brauchen wir wieder mehr Medikamente. Doch die könnten in diesem Jahr erneut knapp werden.
Lieferprobleme bei Medikamenten für Kinder in Hamm
Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gibt es aktuell bei 504 Medikamenten Lieferengpässe (Stand: 1.10.2024). Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände spricht von einer "dauerhaften Lieferkrise". Insbesondere Medikamente für Kinder, zum Beispiel Fiebersäfte, waren in den vergangenen Jahren davon betroffen. Die Situation ist ähnlich wie im letzten Jahr, heißt es von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Es gebe zwar relevante Engpässe, die treffen aber nicht auf jede Apotheke oder jeden Großhändler gleichermaßen zu. Bisher handelt es sich nur um Einzelfälle, meint auch Hendrik Staender, Sprecher des Hammer Netzwerkes der Kinderärzte Pädregio und Kinderarzt am Heessener Markt. Engpässe treten demnach immer wieder in verschiedenen Bereiche auf, spezielle Zubereitungen für Kinder seien momentan aber nicht stärker betroffen. Er empfiehlt: "Ruhe bewahren und abwarten."
Kinderklinik Hamm erwartet Engpässe bei Fiebersäften und Antibiotika
Auch in Hamms Kinderklinik ist die Infektionswelle noch nicht gestartet. Das sagte uns Bettina Hagemann-Otte, Sprecherin der Johanniter-Kliniken Hamm, auf Lippewelle-Anfrage. Für die bevorstehende Erkältungs- und Grippesaison rechnet die Klinik aber wieder mit Engpässen: "Wir gehen davon aus, dass in gleicher Weise wieder Fiebersäfte und Antibiotika fehlen werden", so Hagemann-Otte. Bei den fehlenden Medikamenten handelt es sich demnach meist um solche, die massenhaft bei gängigen Infektionskrankheiten benötigt werden.
Strukturelle Probleme für Medikamentenmangel
Hinter dem Mangel steckt laut Hagemann-Otte auch strukturelle Probleme. "Wir halten es aber eben für nicht klug, die Produktion dieser Medikamente zum Beispiel in Indien zu belassen. Natürlich werden sie dort billiger hergestellt, als es in Deutschland mit festen Tariflöhnen und hohen Auflagen möglich wäre. Nicht bedacht wird, dass eine im Ausland ansässige Firma trotz günstiger Produktion seine Medikamente lieber dahin verkauft, wo sie das meiste Geld dafür bekommt – und vielleicht lieber nicht in ein Land wie Deutschland, das die Preise drücken will." Die Gewinnmarge sei für die Hersteller dieser Medikamente nicht besonders hoch. Daher hätten auch kaum Firmen ein Interesse daran, eine neue Produktion, etwa von Paracetamolsaft, aufzubauen, so Hagemann-Otte.
Apotheker in Hamm können Medikamente ersetzen
Doch auch, wenn es Engpässe gibt: Eltern brauchen sich keine Sorgen machen, dass ihre kranken Kinder nicht behandelt werden, heißt es aus der Kinderklinik. "Wir haben Möglichkeiten, über unsere Apotheker Medikamente zu ersetzen oder selbst herzustellen. Und so werden wir das auch in diesem Winter wieder tun", so Hagemann-Otte. "Gemeinsam mit den Apothekerinnen und Apothekern haben wir noch immer eine Lösung gefunden", beruhigt auch Kinderarzt Hendrik Staender.
Besorgte Eltern decken sich in den Niederlanden mit Medikamenten ein
Eltern sollten Medikamente nur dann besorgen, wenn sie tatsächlich benötigt werden, sagt die KVWL. Denn wer Vorräte anlegt für eine Erkrankung irgendwann in der Zukunft, nehme die Arzneien denen weg, die sie jetzt benötigen. "Eine Vorratshaltung verschärft lediglich eine Knappheit, löst aber keine Probleme", heißt es von einem Sprecher der KVWL auf Lippewelle-Anfrage. Einige Eltern fahren für günstige und knapp werdende Medikamente sogar in die Niederlande, weiß der Geschäftsführer der Hammer Phönix-Apotheke, Magdi Adib. Das sei zwar unbedenklich, da die Medikamente dort den gleichen Qualitätsstandards wie in Deutschland entsprechen, jedoch nicht nötig. Im Ernstfall könne bei Engpässen auf Alternativmedikamente umgestiegen werden.
Neues Gesetz hat nur begrenzte Wirkung
Das neue Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), das im vergangenen Jahr in Kraft getreten ist, sollte neuen Engpässen eigentlich entgegenwirken. Das Problem: Es enthält nur für einen kleinen Teil der Medikamente Regelungen. Auch der Hammer Kinderarzt Hendrik Staender sieht bisher keine großen Effekte: "Das neue Gesetz kann nach meiner Einschätzung aufgrund der sehr vielschichtigen, zum Teil internationalen/globalen Ursachen die Lieferengpässe vermutlich nur zu einem kleinen Teil abmildern." Schon im vergangenen Herbst hatten wir über die Knappheit von Medikamenten für Kinder in Hamm berichtet.
Autorin: Paula Hammerschmidt