Hammer EM-Star Sjoeke Nüsken im Lippewelle-Interview

Im Halbfinale der Fußball-EM in der Schweiz haben 14,3 Millionen Deutsche vor dem Fernseher mit den DFB-Frauen gegen Spanien mitgefiebert. Der Finaleinzug war zum Greifen nah, doch dann fiel in der Verlängerung das bittere Tor der Spanierinnen und die deutsche Mannschaft schied gegen die Weltmeisterinnen aus und die Chance auf den Titel war dahin. Trotzdem sind die deutschen Fußballerinnen grundsätzlich mit dem Abschneiden bei der EM zufrieden. Nicht zuletzt dank der Topleistungen der Hammerin Sjoeke Nüsken. Die DFB-Vizekapitänin war am 28. Juli zu Besuch in Hamm und zu Gast im Lippewelle-Gespräch.

Bis zum vergangenen Sonntag lief die EM in der Schweiz, bei der England seinen Titel verteidigte. Als Vize-Kapitänin und Leaderin im Mittelfeld war die 24-Jährige maßgeblich am Halbfinalerfolg der Nationalmannschaft beteiligt. Im entscheidenden Spiel gegen Spanien musste sie die Partie allerdings wegen zwei gelber Karten von der Bank aus verfolgen. „Am Ende hat es leider nicht gereicht, ich bin trotzdem unglaublich stolz auf die Mannschaft! Natürlich bin ich sehr traurig, dass ich das Finale jetzt nicht spielen durfte. So ein geiles Spiel wie gegen Frankreich noch mal zu spielen, da hätte ich gerne nochmal ein Feuerwerk abgeliefert.“

Die Vorbereitung auf das Turnier verbrachte die Mannschaft im Trainingscamp in Herzogenaurach. Hier stand auch ein geplanter Karaokeabend auf dem Programm, der anders endete als erwartet, wie sie erzählt: „Dann hat Giulia [Gwinn] eine Anmoderation gemacht: [...] ‚Wir haben da jemanden einfliegen lassen!‘“ Dann kam Wolfgang Petry als ganz besonderer Gast herein. „Das war auch für mich ein Highlight in dieser Vorbereitung und in der ganzen Europameisterschaft, das war echt unglaublich“, freute sich Petry-Fan Nüsken.

Der Krimi dieser EM ist definitiv das Spiel gegen Frankreich. Im Elfmeterschießen entscheidet sich das Spiel – Nüsken trifft selbst zum Ausgleich. „Das war wirklich, glaube ich, das krasseste Spiel, das ich jemals gespielt habe. Von den Emotionen her war es das Kopfballtor. Ich bin, glaube ich, komplett durchgedreht auf dem Platz. Ich habe nur rumgeschrien und bin auf dem Platz rumgelaufen“, beschreibt sie ihre Emotionen in dem Spiel. Obwohl sie im Laufe der Partie einen Elfmeter verschießt, übernimmt Nüsken erneut Verantwortung: „Dass ich noch mal ran musste, war nicht geplant. […] Und dann habe ich mir gedacht: Irgendwer muss es machen. Ich habe einfach gedacht: Komm, mach ihn jetzt endlich mal rein.“ Mit Erfolg! Sie machte zwei entscheidende Treffer für den Halbfinaleinzug.

Ihre fußballerischen Anfänge liegen in Hamm, erst bei der Hammer Spielvereinigung, dann bei Westfalia Rhynern. Ohne ihre Mutter wäre das nicht möglich gewesen: „Sie hat uns überall hingefahren. Wie sie das managen konnte, fragen wir uns bis heute.“ Da drei von vier Kindern „enorm viel Sport“ gemacht haben, ist sie natürlich sehr dankbar: „Dass sie uns die ganze Zeit von A nach B fahren konnte, kaum noch ein eigenes Leben hatte, dafür sind wir ihr unglaublich dankbar!"

Selbstverständlich hat ihre Familie sie auch bei diesem Turnier unterstützt. „Das gibt mir einfach Kraft und Energie, die ich auf dem Platz umsetzen konnte“, erzählt sie. Die Unterstützung der Familie war auch in der Zeit zwischen den Spielen enorm: „Wir hatten eine riesige Players-Lounge. Meine Schwestern Hjördis und Mayte sind da richtig aufgegangen. Wir haben viel Tischtennis und Techball gespielt und einfach die Zeit als Familie genutzt, die man sonst vielleicht nicht so oft hat“, erinnert sich Nüsken an die schöne Zeit im Züricher Mannschaftsquartier zurück.

Als DFB-Vizekapitänin und absolute Leistungsträgerin wird man aufgrund der starken Medienpräsenz auch immer öfter erkannt, zum Beispiel im Wuppertaler Zoo. „Da kamen sehr viele Fans vorbei, die ein Foto haben wollten. Das hat mich auf jeden Fall gefreut. Es waren auch sehr viele jüngere Kinder und Mädchen dabei, die mich erkannt haben. Das macht mich natürlich glücklich und unglaublich stolz, dass man vielleicht auch diese jüngere Generation zum Fußballspielen anregt, vor allem die Mädchen.“

Damit das klappt, hat die Mittelfeldspielerin des FC Chelsea ein paar Tipps: „Ich glaube, es ist von Vorteil, wenn man früh mit Fußball anfängt. Turnen hat mir auch enorm viel gegeben, einfach dieses Körpergefühl, das man dadurch entwickelt. Aber ich würde sagen, jeder findet seinen eigenen Weg. Wichtig ist, dass man Spaß dabei hat und sich gerne weiterentwickelt. Ich glaube, dann kann man auch viel erreichen.“

Jetzt geht es für die 24-Jährige erst einmal in den wohlverdienten Urlaub in ein Wellness-Hotel. Am 11. August muss sie wieder beim FC Chelsea sein, bevor es einen Tag später ins Trainingslager nach Holland geht. Dort sind zwei Testspiele geplant, bevor es zum Saisonauftakt am 5. September direkt zum Topspiel gegen Manchester City kommt.

Autor: Leon Oeste