Hebammenkreißsäle - (K)eine Idee für Hamm
Veröffentlicht: Samstag, 20.04.2024 08:26
Ein Kreißsaal, der von Hebammen und nicht vom Arzt geführt wird - immer mehr Kliniken bieten diese Idee der 1:1-Betreuung an. In Hamm ist das Konzept aber nicht in allen Kliniken umsetzbar.

Hebammenkeißsaal - was ist das?
Um ein Kind gesund auf die Welt zu bringen - dafür braucht es meistens keinen Arzt, aber intensive Versorgung einer Hebamme. Die Idee eines Hebammenkreißsaals ist es, dass Hebammen den Kreißsaal führen und nicht Ärzte. So können sich die werdenden Mütter bei der Geburt in einer 1:1-Betreuung auf eine Bezugsperson stützten - grade bei einer intimen und auch stressigen Situation der Geburt für viele ein beruhigender Gedanke.
Rechtlich möglich machen das bestimmte Richtlinien, nach denen eine Hebamme maximal 24 Stunden am Stück im Kreißsaal arbeiten darf. Das ist im Normalfall mehr als genug Zeit, da zum Beispiel eine Geburt einer Mutter, die zum ersten Mal gebärt, im Schnitt rund 8 bis 15 Stunden andauert.
In 28 der 133 Geburtskliniken in NRW werden hebammengeführte Kreißsäle bereits angeboten - Hamm ist noch nicht dabei. Dabei liegt das nicht an der Motivation der Geburtshelferinnen - oft fehlt Personal. Dazu kommen auch viele werdende Mütter gar nicht für diese Form des Kreißsaals infrage: Um als Patientin in einer hebammengestützten Kreißsaal-Lösung zugelassen zu werden, darf eine werdende Mutter zum Beispiel kein Übergewicht haben, keine Blutarmut haben, kein erhöhten Blutdruck und auch bisher keine Geburt per Kaiserschnitt gehabt haben.
Chefarzt des EVK in Hamm hält Hebammenkreißsäle für eine Art "Etikettenschwindel"
Die Johanniter-Klinik Hamm EVK ist ein Perinatalzentrum der ersten Versorgungsstufe. Das heißt: Durch die angrenzende Kinderklinik ist das EVK auch auf Frühgeburten vorbereitet. Geburten, die vor der 32. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden müssen, sind mit vermehrten Risiken verbunden. Nach den Rahmenbedingungen für Hebammenkreißsäle sind Risikopatientinnen gar nicht für das Konzept zugelassen.
Für EVK-Chefarzt der Geburtshilfe, Rolf Oliver Fietz, ist das Konzept von Kreißsälen, die von Hebammen geführt werden, eine Art Etikettenschwindel:
"Den Frauen wird suggeriert, dass sie eine 1:1-Betreuung bekommen können - wie sie es zum Beispiel im Geburtshaus oder auch zuhause bekommen können. Das ist prinzipiell eine super Sache - in unserem Gesundheitssystem ist das aber nicht die Realität, weil es einfach insgesamt nicht genügend Hebammen gibt." - Rolf Oliver Fietz, Chefarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in den Johanniter-Kliniken Hamm EVK
Wissen, was abläuft im EVK in Hamm
Aber auch abseits davon arbeiten die Hebammen im EVK im Schichtbetrieb. So kann es durchaus sein, dass werdende Mütter von zwei oder mehr Hebammen betreut werden. Im EVK sei das schlichtweg schwer abbildbar, so Fietz weiter. "Ich möchte nicht, dass wir einfach nur dieses Label irgendwie an die Tür machen. Die Frauen sollen schon wissen, wie das bei uns abläuft. Ob das immer schlechter ist, muss jede Frau für sich entscheiden."
Dazu sieht Fietz einen Vorteil darin, wenn sein Ärzteteam weiter an der Geburt beteiligt ist. Auch die normalen Geburten würden die Ärzte in wichtigen Entscheidungen fit machen, weil sie durch die regelmäßige Erfahrung Risiken besser einschätzen und gezielter handeln könnten.
Barbara-Klinik arbeitet bei Geburten hybrid
Anders als das EVK ist die St. Barbara-Klinik kein Perinatalzentrum - hier werden im Prinzip also Mütter angenommen, deren Geburt voraussichtlich weniger risikoreich verlaufen wird. Dadurch ist die Anwesenheit von Ärzten nicht mehr so zwingend notwendig. Bei der Geburt in der Barbara-Klinik ist weiterhin ein Arzt anwesend, "wir freuen uns aber, wenn die während der Geburt die Hände im Kittel lassen können", erzählt die leitende Hebamme, Angela Meusel, im Lippewelle-Interview.
Der Kreißsaal der Barbara-Klinik ist personell gut besetzt. "Alle Stellen sind besetzt und wir haben mehr Bewerberinnen, als freie Plätze", ordnet Pflegeleiter Jens Alberti die Situation ein. So ist es auch möglich, in einer Art Hybrid-Lösung zu arbeiten. Wenn es die Situation zulasse, arbeiten die Hebammen so, dass werdende Mütter möglichst nur von einer Geburtshelferin betreut werden und Ärzte nur bei der Erstuntersuchung und der Geburt anwesend sind.
Hebammen-Kreißsaal in Hamm vorstellbar
Für die leitende Oberärztin Jutta Boom-Bietmann ist klar: In Vorgesprächen müsse die Geburt immer ausgiebig mit den werdenden Müttern besprochen werden. Ein rein hebammengestützter Kreißsaal sei zwar wünschenswert, kann aber aktuell auch noch nicht umgesetzt werden.
"Am Endel fände ich es noch schöner, wenn man irgendwann dazu käme, dass jede Frau unter der Geburt eine 1:1-Betreuung bekommen könnte." - Jutta Boom-Bietmann, leitende Kreißsaaloberärztin in der Barbara-Klinik