Kirchenaustritte sind auch in Hamm ein Thema
Veröffentlicht: Dienstag, 11.07.2023 07:26
Der Evangelische Kirchenkreis Hamm plant für Ende September einen grundlegenden Veränderungsprozess, um Menschen wieder mehr anzusprechen. Die Ideen dazu könnt ihr hier nachlesen.
Kirchenaustritte auch in Hamm
Immer mehr Menschen, auch in Hamm, treten aus der Kirche aus. Genau wie auf Bundesebene betrifft das deutlich mehr Katholiken - aber auch die Evangelische Kirche leidet darunter. Bundesweit gab es bei der katholischen Kirche zum zweiten Mal infolge ein Rekordjahr bei den Austritten.
Menschen in Hamm wenden sich ab
Tillman Walter-Sollich als Sprecher vom Evangelischen Kirchenkreis Hamm glaubt, dass viele Menschen Kirche als etwas empfinden, von dem sie nichts haben und was sie deshalb nicht (finanziell) unterstützen möchten. Stärkster Faktor bei Kirchenaustritten generell sei wohl sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch - dass sowas überhaupt passieren könne sei unerträglich. Wenn dann noch - vereinzelte - hohe Würdenträger destruktiv damit umgingen, erzeuge das in der Öffentlichkeit ein derart desaströses Bild, dass er sogar verstehen könne, dass Menschen sich abwenden, so Walther-Sollich.
Kirchenaustritte in Hamm fast verdoppelt
Die Zahl der Kirchenaustritte hatte sich in Hamm im letzten Jahr fast verdoppelt. So traten nach Angaben des Amtsgerichts Hamm im Jahr 2021 insgesamt 824 Personen aus der Kirche aus (508 katholisch/316 evangelisch). 2022 gab es 1.408 Kirchenaustritte (894 katholisch/514 evangelisch). In 2023 wurden dem Amtsgericht bisher 478 Austritte gemeldet (278 katholisch/200 evangelisch).
Kirchenkreis in Hamm plant Veränderungsprozess
Walther-Sollich betont aber auch, es sei wichtig zu differenzieren, denn auch Inflation und insgesamt weniger Geld spiele in solche Entscheidungen hinein. Man müsse sich jetzt um die Unzufriedenen kümmern. Da bereite der Evangelische Kirchekreis in Hamm aktuell einen ganz umfassenden Veränderungsprozess vor, der Ende September starten soll. Motto: "Bewahren was gut und wichtig ist, aber sein lassen, was nicht mehr den Lebensnerv trifft". Man müsse dorthin schauen, wo Menschen kommen und sagen "wie toll ist das", meint Walther-Sollich.
"Sound and silence" Gottesdienste in Hamm
Darum gehe es doch bei Kirche - was den Lebensnerv treffe, betont Walter-Sollich. Das sei aus seiner Sicht einer der Gründe, warum 150 bis 200 Menschen zu den Sound & Silence-Gottesdiensten nach Wiescherhöfen kommen und sonntags die Kirchen immer leerer werden. Viele Menschen könnten nicht mehr nachvollziehen, was Kirche auch Gutes tue für die Gesellschaft. Er bemerke als weitverbreitetes Vorurteil, dass alles verstaubt sei und dass "Kirche kein Mensch mehr brauche".
Jugendkirche in Hamm beliebt
Die Tatsache, dass Kirche aber nur so viel arbeiten könne, wie noch Geld der Mitglieder da ist, müsse auch bedacht werden, gibt Walther-Sollich zu bedenken. So sei die Jugendkirche in Hamm sehr beliebt - aber auch sie hänge von der Finanzierung aus Kirchensteuern ab. Werde weniger Geld eingenommen, müsse man automatisch kleiner werden.
Austritte bei der katholischen Kirche in Hamm
Auf Lippewelle-Nachfrage hat das Erzbistum Paderborn für Hamm einige Zahlen zur Verfügung gestellt. Demnach sind in Hamm im vergangenen Jahr in den Pfarreien St. Franziskus, Mitte-Osten und Mitte-Westen insgesamt 98 Katholiken ausgetreten. Vikar Christian Schmidtke sagte bei der Lippewelle, wenn Kirche mit ihrer Schuld nicht umgehen könne und Bischöfe trotz Razzien in Köln im Amt blieben, sei es kein Wunder, dass viele Menschen dieser Kirche nicht mehr angehören wollten. Er fordert von seiner Kirche "ein mutiges Zugehen auf Reformen und Veränderung und nicht nur ein Reden". Schmidtke spricht sich auch unter anderem für die Segnung von homosexuellen Paaren aus.
In Hamm packen Menschen an
Hoffnung mache ihm, so Schmidtke, dass er in Hamm Menschen erlebe, die anpacken und ihre Zeit einbringen, um vor Ort etwas zu bewegen. Ralf Dunker vom Dekanat Hellweg sagte im Lippewelle-Gespräch, die Menschen würden Kirche vermehrt als Dienstleistung abrufen - für Hochzeiten oder Kita-Plätze - und dabei werde der Gemeinschaftsgedanke immer mehr in den Hintergrund gedrängt. Wenn man eine Leistung benötige, buche man sie sozusagen - und danach werde die kritisch überprüft. So funktioniere Kirche aber nicht.