So reagiert Hamm auf die Bund-Länder-Beschlüsse

Wie sieht das alles jemand, der jeden Tag quasi an der Front im Krankenhaus arbeitet? Das haben wir Prof. Dr. Dirk Böcker vom Marienhospital gefragt. Er sagt: Die 7-Tage-Inzidenz als Richtwert in der Pandemie ist sinnvoll. Die 35er-Grenze allerdings weniger. "Diese 35er-Inzidenz ist vermutlich eine gewürfelte Zahl. Tatsächlich ist es aber so, dass die Inzidenz wahrscheinlich der am einfachsten zu verstehende Indikator ist für die allgemeine Krankheitslast in einer Gruppe oder Gegend."

Naben der Inzidenz auch die Auslastung der Krankenhäuser zu berücksichtigen, sieht Böcker mit gemischten Gefühlen: "Die Belastung der Intensivstationen ist ein Spätindikator. Für Steuerung ist es dann also schon zu spät oder zumindest sehr spät. Das ist der Grund dafür, dass das Festhalten an der Gesamt-Inzidenz gar nicht so schlecht ist, wenngleich man höhere Werte tolerieren könnte als die 35. Das ist weniger ein Steuerungsinstrument als ein Instrument, wo versucht wird, den Druck etwas zu erhöhen - und zwar auf die, die noch unentschlossen sind, sich impfen zu lassen."

Ein weiteres Mittel, um den Druck zu erhöhen, ist, dass die Corona-Tests ab dem 11. Oktober kostenpflichtig werden sollen. Dr. Böcker: "Es ist denkbar, dass die Menge an Tests dann abnimmt, und das ist auch der kritische Punkt, den man hierbei bedenken muss. Aber es ist so, dass auch die Kontrollpflichten erhöht werden. Es wird auch ein moderater Druck dadurch erzeugt, dass sich Ungeimpfte testen lassen müssen, wenn sie ins Restaurant oder zum Friseur gehen wollen. Das Leben wird für sie teurer."

Das englische Modell in der Pandemie - alles aufmachen unter der Eigenverantwortung der Menschen - ist für Dr. Böcker an eine wichtige Bedingung geknüpft: "Die Impfrate muss erhöht werden. Wenn man die Impfquote um etwa zehn Prozent steigern würde in Deutschland, dann könnte man sich sicher eine doppelt oder dreimal so hohe Inzidenz vorstellen, ohne dass es zu einer größeren Belastung der Krankenhäuser durch schwere Verläufe kommt."

Marcel Johannpeter betreibt mehrere Testzentren bei uns in Hamm - und er ist nicht gerade begeistert von dem Entschluss, Corona-Tests bis auf wenige Ausnahmen kostenpflichtig zu machen: "Ich glaube persönlich, dass die Entscheidung viel zu früh gefallen ist. Wie wir in dem letzten Dreivierteljahr gesehen haben, kann sich innerhalb von zwei Monaten sehr viel tun. Und von daher bin ich mal gespannt, was noch passiert. Wir werden es sehen."

Die Zelte abbrechen will Johannpeter aber auf keinen Fall. Denn viele Hammer gehen einfach lieber auf Nummer sicher: "Wir sehen das sehr an der Resonanz. Viele Leute testen sich auch gerade im privaten Umfeld, selbst Geimpfte. Weil man sich nicht sicher ist mit den neuen Mutationen. Wir werden auf jeden Fall bis zum Ende dabei sein."