
So wird Hamm zukunftsfähig
Zur letzten öffentlichen Diskussionsrunde vor der Kommunalwahl am 14. September sind am Mittwochabend (3.9.) rund 100 Interessierte in die Aula des Beisenkamp-Gymnasiums gekommen.
Veröffentlicht: Donnerstag, 04.09.2025 07:20
Sachliche Debatte auch mit Wählerinnen und Wählern
Zum Thema „Zukunftsfähiges Hamm“ diskutierten Vertreter von acht Parteien und Wählergruppen sehr engagiert und ernsthaft gut zwei Stunden lang untereinander und mit den Wählerinnen und Wählern. Eingeladen hatten Umweltverbände, Wohlfahrtsorganisationen, die Gewerkschaft verdi und zivilgesellschaftliche Gruppen wie Awo, Naturschutzbund und Flüchtlingshilfe. Entsprechend ging es um die Themen Armut, Zusammenhalt und Klimaschutz. „Wie stehen Sie zur sichtbaren Armut in Hamm?“ wollte Imke Friedrich von der Caritas wissen. Denn bettelnde Menschen und Obdachlose auf Parkbänken machten nur deutlich, was sonst nur im Verborgenen stattfindet. Bettelverbotszonen lösen kein Problem, waren sich alle einig. Eine Lösung könnte das geplante sogenannte „Gasthaus“ sein: eine zentrale Anlaufstelle für Übernachtung, als Treffpunkt und die Hammer Tafel.
Weniger Geld für freiwillige Leistungen?
Jochen Dornseifer, OB Kandidat der CDU, und Marc Herter, der amtierende OB, stellten das Publikum darauf ein, dass das Geld knapper wird.
„Ich gehe davon aus dass wir 2027 in die Haushaltssicherung kommen. Dann wird’s richtig ungemütlich. Von daher sollten wird jetzt schon Maßnahmen auf den Prüfstand stellen.“ Jochen Dornseifer, OB Kandidat der CDU.
„Wir sind in einem Wirksamkeitsdialog mit den Sozialverbänden. Über jede Maßnahme und jedes Jahr. Es geht auch um das Zusammenspiel der Träger. Wir haben fünf Träger in der Innenstadt. Es geht auch darum dass das Notwendige gemacht wird und nichts liegenbleibt. Wir brauchen mehr Leute auf der Straße.“ Marc Herter, amtierender Oberbürgermeister Hamm.
Mehr Geld für Norden und Westen in Hamm?
Cevdet Gürle von Pro Hamm forderte, das Geld gezielt nach Sozialräumen zu verteilen „Wie ist die Armut verteilt in Hamm? Auch das müsste stärker auf die Agenda. Der Norden und Westen müsse zusätzlich bezuschusst werden“. Gürle forderte erneut eine Gesamtschule statt der geplanten Hauptschule im Bildungszentrum Nord, damit die Menschen in den betroffenen Stadtteilen höhere Bildungsabschlüsse machen können. Marc Herter widersprach Gürle. In Hamm lebten mittlerweile so wenig Kinder von Sozialhilfe wie in Münster. Die Kita-Beiträge seien hier so niedrig wie kaum anderswo. Der Hammer Norden, Westen und Süden seien „Ankommensstadtteile“. Weil die Mieten dort niedrig sind, ziehen arme Familien zuerst dahin, arbeiten sich dann aber dort heraus.
Zuwanderung: gefordert oder überfordert?
Die größten Differenzen gab es zur Frage „Ist die Stadt Hamm mit der Aufnahme von Flüchtlingen überlastet?“. OB Marc Herter wies darauf hin, dass Hamm in den letzten anderthalb Jahren selbst überhaupt keinen Geflüchteten untergebracht habe. Die Kommunen in NRW müssten nur Menschen mit Bleibeperspektive aufnehmen, alle anderen lebten in einer ZUE des Landes. Cevdet Gürle von Pro Hamm und Sefika Minte von der Linken sahen das eher als Armutszeugnis der Stadt. Auch über das Programm „Sicherer Hafen“ habe Hamm keinen einzigen Flüchtling aufgenommen. Jochen Dornseifer, CDU, sah trotzdem eine „Überlastung“ zumindest der Gesellschaft und verwies auf Integrationsprobleme z.B. in der Schule. Migration müsse geregelt werden. Dafür erntete er Kritik aus dem Publikum. Er betreibe mit solchen Aussagen das Geschäft der AfD. Lisa Nowak von den Grünen forderte mehr Begegnungen. „Es gibt in Hamm eine starke Trennung nach Stadtteilen.“ Eine Idee seien Projekt im Alltag, z.B. Musik aus anderen Kulturen beim Festival H 4 „ Wir sind nicht überfordert, sondern gefordert.“, sagte Nowak.
Defizite bei der Integration behinderter Menschen
Auch die Frage der Integration behinderter Menschen wurde angesprochen. Ein Betroffener sagte „ Die werden in Werkstätten abgeschoben werden. Das ist moderne Sklaverei.“ Sefika Minte von der Linke ergänzte „Die Menschen in der Lebenshilfe bekommen einen Hungerlohn“. Das wollte OB Herter so nicht stehen lassen. Die Lebenshilfe sei ein Verein betroffener Eltern. Allerdings brauche es für behinderte Menschen in Arbeit auch in Werkstätten den sogenannten „Defizitausgleich“. Der greift schon in Integrationsbetrieben oder auch regulären Betrieben. Das könne aber nur bundesweit geregelt werden. Lukas Slunjski, FDP, betonte die enormen Fortschritte beim behindertengerechten Umbau von öffentlichen Gebäuden am Beispiel des Beisenkamp-Gymnasiums. Hier gebe es jetzt überall Rampen, auch zur Bühne, und einen barrierefreien Schulhof.
Klimaneutrales Hamm bis 2035?
Weitgehende Einigkeit herrschte auf dem Podium beim Thema Klimaschutz. Hamm will bis 2035 klimaneutral werden. Ein ehrgeiziges Ziel, darauf wies Cevdet Gürle von Pro Hamm hin. „Wir müssten jedes Jahr 6.5 Prozent CO 2 einsparen. Es ist aber nur ein halbes Prozent im Moment.“ Alle setzen dabei auf mehr Bus und Rad im Verkehr. Die Grünen wollen dafür auch Parkplätze opfern. OB Marc Herter sieht dabei auch nicht die großen Konflikte mit dem Autoverkehr. Er verwies auf den Umbau der Goethestraße mit durchgehenden Radstreifen. „Was an der verkehrsreichsten Straße in Hamm funktioniert, klappt überall.“, sagte Herter. Dornseifer, CDU, war da skeptischer. Er will getrennte Radwege.
Dicker Brocken Wärmewende
Die größte Herausforderung sei die Wärmewende, also der Abschied von fossilen Brennstoffen beim Heizen, waren sich alle einig. In Hamm gebe es sogar noch 800 Kohleheizungen, betonte Wolfgang Rommetsch von der FUgE in seinem Eingangsstatement. OB Herter sagte, ein Nah- und Fernwärmenetz für Hamm koste 2 Milliarden Euro an öffentlichen Investitionen und sei mit vielen Großbaustellen auf den Straßen verbunden „Wir können nur mit gutem Beispiel vorangehen. Eine Stadt umzustellen, das wird gehen. Aber jeden einzelnen Bürger umzustellen das wird nicht gehen. Wir können nur die Rahmenbedingungen setzen.“, sagte Herter.
Neuer Klimafonds der Stadtwerke Hamm
Herter kündigte dabei an, dass sich die Bürger bald stärker an Maßnahmen gegen die Klimawandel beteiligen können. Auf die Frage nach einem Investitionsfonds von örtlichen Banken für grüne Energieprojekte sagte Herter: „ Die Stadtwerke haben mehrere Projekte im Windkraftbereich und bei Freiflächen-Photovoltaik in der Pipeline. Die sollen als Bürgerfonds laufen.“ Damit könne zum einen das nötige Geld gesammelt werden, auf der anderen Seite könnten sich die Menschen in Hamm so aktiv an der Energiewende beteiligen.
Wie wird Hamm klimaresilient
Um die Folgen des Klimawandels abzufedern, müsse mehr Grün in die Stadt, vor allem die Innenstadt- waren sich alle einig. Herter sprach von „Tiny woods“, also Mini-Wäldern. Der Santa-Monica-Platz soll entsiegelt werden. Lukas Slunjski von der FDP will als Mittelweg „mobiles Grün“, damit der Platz auch weiter für Veranstaltungen genutzt werden kann. Christopher Bürger vom BSW setzt auf Hitzeschutzräume und wasserdurchlässigen Asphalt als Hilfe bei Starkregen. Mischa Kuchinke von Volt sagte, die Bürger sollten mitgenommen werden, z.B. durch Patenschaften für Bäume und eigenes Engagement für naturnahe Gärten.
Zu diesem Thema gibt es am 17. September eine Infoveranstaltung mit Wissenschaftlern und Vertretern der Stadt, ab 19 Uhr im Kleistforum.
Autor: Rainer Wilkes